Warum wettert der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke auf Facebook gegen Homosexuelle? Die Frage drängt sich aus mehreren Gründen auf. Eigentlich wollen sich die Rechtspopulisten doch vor potenziellen homosexuellen Wählern nicht verschließen. Schließlich gibt es auch schwule und lesbische Parteimitglieder in der AfD. Im Interview mit dem stern hat einer der Vorsitzenden der Bundesinteressengemeinschaft Homosexuelle in der AfD, Mirko Welsch, just erklärt, wie bemüht die Rechtspopulisten seien, die Belange der homosexuellen Parteimitglieder zu berücksichtigen und umzusetzen. Sogar eine Einladung von Höcke habe er erhalten und angenommen, um in dessen Fraktion einen Vortrag halten dürfen, sagte Welsch dem stern.
Was hat Analsex mit welcher politischen Richtung auch immer zu tun?
Umso verstörender ist es, dass Höcke auf Facebook gegen Schwule ätzt und auch noch eine renommierte Veranstaltungsreihe zum Anlass für seine homophoben Äußerungen nimmt. Auf seiner Facebook-Seite zieht Höcke einen willkürlichen kausalen Zusammenhang zwischen einer finanziellen, bildungspolitischen Entscheidung für Thüringer Schulen und den Hirschfeld-Tagen, einer Veranstaltungsreihe zur sexuellen Aufklärung für Erwachsene, die jedes Mal in einem anderen Bundesland stattfindet. In diesem Jahr trägt Thüringen die Seminare aus; Schirmherr der Veranstaltung ist der Thüringer Landeschef Bodo Ramelow.
Höcke wendet sich persönlich gegen den Linken-Politiker: "Für Bodo ist Analsex pädagogisch wertvoller", schreibt der Thüringer AfD-Chef, "die Thüringer Landesregierung setzt Prioritäten!" Höckes These: Ramelow kürzt Schulen die Mittel für Klassenfahrten und investiert das Geld in Bespaßung für Schwule. "Linke: Für Ideologie ist immer Geld da!", schreibt Höcke auf eine billige Fotomontage, die Ramelow als Lehrer an einer Tafel zeigt. Was Sex im Allgemeinen oder Analsex im Besonderen mit linker Ideologie oder überhaupt einer politischen Richtung zu tun haben soll, lässt Höcke offen.
Davon abgesehen, dass Analsex nicht nur der gleichgeschlechtlichen Liebe vorbehalten ist, bleibt unklar, wie Höcke zu seiner hanebüchenen Kausalverknüpfung gelangt. Die Hirschfeld-Tage sollen Erwachsene sexuell bilden, um übertragbare Krankheiten zu vermeiden und sexuelle Vielfalt zu lehren. Alle zwei Jahre findet die Veranstaltungsreihe der Magnus-Hirschfeld-Stiftung statt, 2012 in Berlin, 2014 in Nordrhein-Westfalen. Unterstützt werden die Hirschfeld-Tage unter anderem von der Aids-Hilfe und "DenkBunt", einem Förderprogramm des Thüringer Bildungsministeriums. In diesem Jahr ist unter den zahlreichen Veranstaltungen auch ein Workshop für sicheren Analverkehr.

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Björn Höcke lässt sich von den Fakten nicht beirren
Das Seminar richtet sich an alle Geschlechter, nicht jedoch an minderjährige Schüler, erklärt der Veranstalter Jörg Litwinschuh in einer Stellungnahme. Wenn Höcke diesen "sexualpädagogischen, außerschulischen Workshop für Erwachsene" uminterpretiere, wolle er nur provozieren. "Dahinter steckt schlicht und ergreifend Homosexuellenfeindlichkeit", so Litwinschuh.
Mit Bildungspolitik für Kinder hat aber freilich weder die Veranstaltungsreihe für Erwachsene noch deren Finanzierung zu tun. Dass das Land Thüringen Schulen im Juni das Budget für Lehrer-Dienstreisen und Klassenfahrten gekürzt hat, steht auf einem ganz anderen Blatt. Wie die "Thüringer Allgemeine" berichtet hat, lag das daran, dass das bisherige Budget ohnehin nicht ausgeschöpft worden war.
Höcke lässt sich von den Fakten nicht beirren. Er stellt die Hirschfeld-Tage als die "Fortbildung homosexueller Männer" dar und schreibt: "Ganz ehrlich: Das ist Bildungspolitik für'n Arsch."
Wer sexuell ein wenig aufgeschlossener ist - ganz gleich, ob hetero-, bi- oder homosexuell -, kann sich hier über das diesjährige Programm der Hirschfeld-Tage in Thüringen informieren.