Seit einigen Tagen herrscht Funkstille. Während Martin Pieckenhagen sonst immer vor Bundesliga-Spielen mit einigen seiner früheren Mannschaftskollegen von Hansa Rostock telefoniert, hat er vor der Rückkehr in die alte Heimat nicht zum Hörer gegriffen. Vor seinem ersten Auftritt im Ostseestadion seit dem Wechsel schwört der Torwart des Hamburger SV fast trotzig: »Es ist kein herausragendes Ereignis für mich.« Der 30-Jährige, der fünf Jahre in Rostock spielte und dort zum Publikumsliebling wurde, versucht die Vergangenheit zu verdrängen. »Gefühle dürfen keine Rolle spielen.«
»Piecke« kennt nur ein Ziel: Sieg
Dabei wurde ihm der Abschied seinerzeit schwer gemacht. Obwohl er bereits Ende 2000 seinen Wechsel zum HSV ankündigte, um seinem Entdecker Frank Pagelsdorf zu folgen, feierten ihn die Fans überschwänglich. Der Keeper, der in seiner Freizeit hin und wieder andie Ostseeküste fährt, hat vor dem Spiel an alter Wirkungsstätte am Samstag (15.30 Uhr) andere Sorgen. Eine Bauchmuskelzerrung behindert ihn. »Piecke« musste sogar im Training pausieren. Doch nun ist er wieder fit und kennt nur ein Ziel: »Einen Sieg.«
Obwohl Pagelsdorf in Hamburg durch den Österreicher Kurt Jara abgelöst wurde, ist sein Schützling beim HSV zum Leistungsträger und Führungsspieler geworden. Trotzdem dreht sich in der Hansestadt kaum einer nach ihm um. Für Pieckenhagen ist das durchaus angenehm: »Ich brauche keinen Starrummel. Wenn ich deutscher Meister mit dem HSV werde, dann dürfen mich ruhig alle umarmen«, sagt er und stellt klar: »Ich bin nach Hamburg gekommen, um mit dem HSV einen Titel zu holen.«
Jara ist der Richtige für den HSV
Bis 2005 hat sich Pieckenhagen an den HSV gebunden, doch nach den Turbulenzen ist er mit der sportlichen Situation in der neuen Heimat nicht zufrieden. »Was wir hier geleistet haben, ist längst nicht das, was ich mir vorgestellt und auch erwartet habe. Ständig wird vom Potenzial gesprochen, dieses aber nicht abgerufen. Das ist eine Krankheit, die der HSV nicht erst seit dieser Saison hat«, beschreibt er die Situation. Nun hofft der gebürtige Berliner, dass es mit Pagelsdorf-Nachfolger Jara wieder nach oben geht: »Das ist genau der richtige Mann für uns.«
Einer der besten deutschen Keeper
»Wenn er bei einem Spitzenclub spielen würde, wäre er bei der WM dabei. Er ist einer der drei besten deutschen Torhüter«, gibt Jara das Kompliment zurück. »Da gibt es andere Torhüter, die genauso gut halten und jünger sind«, sagt Pieckenhagen bescheiden. Den Dortmunder Jens Lehmann meint er damit aber sicher nicht. »Für so eine Sache muss man ihn sperren«, fordert der Hamburger Schlussmann. Bei Lehmanns Foul in Freiburg sei der Ball »bestimmt schon drei Sekunden« aus dem Spiel gewesen. Lehmann »hatte also genug Zeit zu überlegen, was er da macht. Er hatte schon mehrfach solche Aussetzer.«
Volker Gundrum